Tier bewegt
Mobile Tierphysiotherapie & Tierosteopathie

Die Trageerschöpfung des Pferdes

Der Begriff „Trageerschöpfung“ wurde von Tanja Richter bereits im Jahr 2010 geprägt und erfährt seit dem nicht nur unter Tiertherapeuten eine immer größere Beachtung, auch Pferdebesitzern haben schon von ihr gehört. Doch was genau ist diese „Trageerschöpfung“?

Werfen wir einen kurzen Blick auf die Anatomie des Pferdekörpers. Die Wirbelsäule hängt wie eine Seilkonstruktion von Muskeln und Bändern getragen zwischen der Vorder- und der Hintergliedmaße. An der Wirbelsäule selbst hängt der größte Teil des Pferdegewichts. Wichtig zu Wissen ist es dabei, dass nicht der lange Rückenmuskel (M. longissimus) das Gewicht trägt - wie soll ein Muskel, der über und neben der Wirbelsäule verläuft das Körpergewicht tragen können? Die wahren tragenden Muskeln sitzen unter der „Seilkonstruktion“ und halten somit gegen den Druck von oben. Das sind die Rumpf- und Bauchmuskeln, ohne diese würde die Mitte des Pferdes zwischen Vorder- und Hintergliedmaße „durchfallen“. Um neben dem Eigengewicht auch noch ein Reitergewicht tragen zu können, müssen diese Muskeln also umso besser ausgebildet sein. 

Der Begriff „Trageerschöpfung“ bedeutet nichts weiter, als dass diese Muskeln nicht mehr in der Lage sind das Körpergewicht zu tragen - heißt also, sich situationsbedingt korrekt zu kontrahieren und somit den Rumpf anzuheben und diesen Zustand auch zu halten. Dieses korrekte Kontrahieren, also Anspannen der Muskeln, ist nicht nur für das Tragen des Eigen- und auch des Reitergewichts wichtig, sondern auch beispielsweise für die Eigenbalance bei Wendungen und für das Galoppieren. 

Die Unfähigkeit der tragenden Muskulatur richtig zu kontrahieren ist das Resultat einer langen Kette von Ursachen.


1. Minderversorgung der Muskulatur mit Nährstoffen

Wird Muskulatur nicht benutzt, kann sie nicht optimal mit Nährstoffen und vor allem Sauerstoff versorgt werden und anfallende Schlackstoffe können nicht abtransportiert werden. Auch Krankheiten wie beispielsweise COPD, eine Anämie oder ein Wurmbefall können zu einem generellen Sauerstoffmangel im Blut führen. Eine Fehlernährung mit zu wenig Eiweiß oder durch einen falschen Zahnzustand verhindern ebenfalls eine korrekte Versorgung der Muskeln mit Nährstoffen.


2. Nervale Hemmung der aufrichtenden Muskulatur

Wer kennt es nicht - tut uns Menschen etwas weh, vermeiden wir Bewegungen, die die Schmerzen verschlimmern. Das Gleiche tun unsere Pferde: Empfindet das Pferd Schmerzen beim Aufwölben, vermeidet es das Aufwölben. Diese Schmerzen können durch einen unpassenden Sattel verursacht werden aber auch andere Gründe haben, wie beispielsweise schmerzende Hufe oder auch eine Magenschleimhautentzündung.


3. Überbeanspruchung der aufrichtenden Muskulatur 

Werden Muskeln ihrem Trainingsstand entsprechend zu stark und zu lange belastet, ist das Pferd übergewichtig, hat es einen die Vorhand belastenden Körperbau (z.B. durch eine zu hohe Kruppe, zu schwache Kruppe, große Rumpftiefe, breite Brust) besitzt es zu selten die Möglichkeit sich hinzulegen und die Muskulatur zu entspannen, wird es beim Reiten durch zu langes Reiten oder zu hohes Reitergewicht überlastet, leiden darunter die Muskeln. Auch eine mangelnde Eigenbalance des Pferdes oder mangelndes vorbereitendes Training führen zu einer Überbeanspruchung. Die Muskeln stehen unter Daueranspannung, daraus folgt eine Minderdurchblutung und irgendwann erfolgt ein Muskelabbau bzw. -umbau in bingewebige Strukturen


Was sind die Folgen für den Pferdekörper?

Typisches Aussehen der Rückenlinie bei einer Trageerschöpfung.

Wenn ein Pferd sich nicht aufwölben kann wird der vordere und mittlere Teil der Brustwirbelsäule zu sehr und lange in die Streckung gebracht, dies erhöht die Belastung auf die Facettengelenke zwischen den einzelnen Wirbelkörpern und die Rippengelenke. Die Rippen „drücken nach außen“, das Pferd bekommt einen Fassbauch. Der Rücken und der Brustkorb sinken ab, der Widerrist sieht aus, als wenn er zwischen die Schulterblätter fällt. Das Pferd kann nicht mehr gut in die Biegung gehen, bekommt Sattelzwang, es geht steif und mit festgehaltenem Rücken.

Die Halsmuskulatur und die Muskeln der Hinterhand verkrampfen sich und versuchen somit den Rumpf von hinten anzuheben, auch die Muskulatur, die normale Weise den Rücken aufwölbt arbeitet durchgehend - der häufig zu beobachtende Karpfenrücken entsteht, auch als "stramme Niere" bezeichnet. Häufig kommt es durch den fehlenden Schwung zu flachen und untergeschobenen Trachten, da das Pferd die Zehenbeuger durch die fehlende Kontraktion der Rumpfmuskeln ebenfalls nicht mehr ausreichend benutzten kann.


Was kann getan werden?

Klingt simpel, ist es aber nicht: Als erster Schritt muss die Ursache gefunden und abgestellt werden. Anschließend kann damit begonnen werden, die dauerverspannten Muskeln zu entspannen, die Durchblutung in den unterversorgen Muskelarealen anzuregen und nach und nach das Pferd wieder langsam aufzubauen. 

Das Ziel einer Therapie ist es, die Rumpfträger wieder zu aktivieren und dazu zu bringen, korrekt zu kontrahieren, sodass das Pferd den Rücken wieder aufwölben kann. 


Die Trageerschöpfung ist kein Befund, der von heute auf morgen geheilt werden kann - wohl aber ein Befund, gegen den etwas unternommen werden kann! 




Häufiges Abbild einer Trageerschöpfung: der Rücken hängt durch, Bauch und Brustkorb sind abgesunken, die Trachten sind an Vorder- und Hintergliedmaße untergeschoben, es entwickelt sich ein Unterhals, ein Axthieb wird sichtbar. Die Erschöpfung des gesamten Pferdes ist deutlich erkennbar.

E-Mail
Anruf